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Vom Leben in der DDR als biografischem Erfahrungshintergrund

Die Notwendigkeit, in der Praxis andere Fragen zu stellen

Autorin:
Kathrin Schröder, Heilpraktikerin, Klassische Homöopathie

Leseprobe aus der LACHESIS Nr. 48
mit dem Thema „Transgenerationale Traumaweitergabe“

Aufgewachsen in einem Land, welches nur noch historisch existiert, seit 1989 Grenzgängerin zwischen den Kulturen, plädiere ich in der lebensgeschichtlichen Begleitung für differenzierte Ost-West Perspektiven. Wo müssen wir Unterschiede benennen, um einander verstehen zu können? Wir sprechen häufig über dasselbe, meinen anderes. Ich wünsche mir Kolleginnen, die in der Begleitung von Patientinnen mutig nach der individuellen DDR-Geschichte fragen und gleichzeitig eine offene Haltung des Nichtwissens einnehmen.

Es kann immer auch ganz anders gewesen sein.
Es wird komplex, wenn ich mich auf die Mehrdeutigkeiten ostdeutsch geprägter Lebensgeschichten einlasse. Für mich sind es Suchbewegungen zwischen Neugier, Zurücknahme, Infragestellen von Deutungshoheiten, dem Aushalten von Missverständnissen, Diskutieren und vor allem Nachfragen.
Vergleichbar den Pendelbewegungen ins Labyrinth ermöglicht das Sprechen über berufliche Entwicklung die Suche nach der individuellen Lebensgeschichte im kollektiven Erfahrungsrahmen DDR. Das ermöglicht mir eine scheinbar distanzierte, gleichzeitig sehr behutsame und emotionale Annäherung an sehr unterschiedliche Lebensrealitäten und familiäre Deutungsmuster. Immer deutlicher wird, der Bezug der Einzelnen zur Arbeit ist einer der Unterschiede zum westlichen Gesellschaftssystem – mit Auswirkungen bis heute.
Das Leben in der DDR – in der so genannten Diktatur des Proletariats – war bestimmt vom Recht und der Pflicht zur Arbeit.
Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall gerät diese unterschiedliche Sozialisationsgrundlage oft aus dem Blick. Hinzu kommen die unterschiedlichen Anpassungsstrategien und Bewältigungsmuster ostdeutsch sozialisierter Frauen an das westdeutsche System.
Wir müssen uns fragen: Welche Auswirkungen hat die DDR, die auf kollektive Werte zielte, baute und vertraute auf die Einzelne heute?
Frauen kommen in die Praxis mit Beschwerden, die als Folge von akuter Überforderung aufgrund von Erkrankungen, Konflikten im Arbeitsbereich oder dem Übertritt in die Rente wahrgenommen werden. Nicht selten liegen die eigentlichen Ursachen viel tiefer.
In der Anamnese höre ich häufig die osttypische Aussage, das alles normal war – die Geburten, die Lebensverläufe, die Arbeit, die Krippe, der Kindergarten, die Schule. “Normal”, “in der Norm seiend” war positiv besetzt - Emanzipation und Selbstverleugnung inklusive.
(...)

(Ende der Leseprobe)

 

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