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Jeder Tod ist anders, jede Trauer auch 

Autorin:  Chris Paul
Autorin und Trauerbegleiterin

Leseprobe aus der LACHESIS Nr. 28
zum Thema "Sterben und Tod"

Das individuelle Trauern ist eingebettet in äußere Umstände und von diesen nicht zu trennen. Wie wir einem Tod in unserem Leben begegnen, hängt auf vielerlei Weisen mit Bedingungen zusammen, die wir nicht oder nur mit viel Einsatz beeinflussen können. Was wir in welcher Form, zu welchem Zeitpunkt und über welchen Zeitraum betrauern und welche existentiellen Fragen der Tod eines nahen Menschen an uns stellt, ist mit privaten und politischen Faktoren eng verknüpft. Zu letzteren gehören Geschlechterrollen ebenso wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen in Form von Gesetzgebungen und Vorschriften, aber auch gesamtgesellschaftliche Einstellungen zu Leben und Tod.

Der alte feministische Kernsatz “Das Private ist Politisch” gilt für die Erfahrung des Trauerns ganz besonders. Der Tod eines vertrauten Menschen ist eine Lebenssituation, die in unserer Gesellschaft so privat und isoliert wie nur möglich abgehandelt wird. Alle Trauernden, denen ich in den letzten Jahren in meiner Arbeit als Trauerbegleiterin oder im Privaten begegnet bin, waren sich in einem Punkt einig: Trauer ist etwas, was jede/r mit sich allein abmachen muss. Und was könnte daran politisch sein? Diese Frage läßt sich in zwei Aspekte aufteilen – wie wird meine Trauer durch Einflüsse von außen, durch das Einwirken anderer beeinflußt? Und wie wirke ich mit meinem Trauern auf das Außen, auf andere ein?Meiner Erfahrung nach spielen die äußeren Umstände des Todes und die äußeren Bedingungen des eigenen Weiterlebens eine wichtige Rolle dabei, wie ein Trauerprozess abläuft. Sie bestimmen sogar, was eigentlich betrauert wird und wann es betrauert werden kann. Es gibt erschwerende Umstände und es gibt Todesfälle, die so grausam, unzeitig und erschütternd sind, dass sie für lange Zeit aus dem Bewusstsein der Weiterlebenden verdrängt werden müssen, wenn das eigene Leben nicht in Gefahr geraten soll.

Im folgenden habe ich bestimmte Aspekte herausgegriffen, die einen relativ leichten und selbstverständlichen Umgang mit Tod und Trauer erschweren.
Diese Aufzählung ist sicher nicht vollständig, sie soll Anregungen geben, jedem einzigartigen Sterbe- und Trauerprozess nachzuspüren und seine Besonderheiten wahrzunehmen.

Todesarten
Langsames Sterben oder plötzlicher Tod
Langsame Sterbeprozesse bieten bestimmte Chancen und halten gleichzeitig Schwierigkeiten bereit:
Eine langsame Gewöhnung an die Tatsache, dass ein geliebter Mensch sterben wird, ist bei einem langsamen Sterben möglich – aber nicht sicher! Dazu gehört eine innere und äußere Vorbereitung, die Möglichkeit, sich auszusprechen und Abschied zu nehmen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, den Sterbeprozessß zu begleiten und durch das Sehen, Hören, Riechen, Fühlen der Veränderungen zu verstehen, was Sterben ist, und sich einem Verständnis dessen anzunähern, was Tod sein mag. Sterben und Tod werden so sinnlich erlebbar und können von unserer Psyche als “wirklich” verarbeitet werden.
Wenn Austausch, Aussprache und Begleitung im Sterben nicht verwirklicht werden konnten, kann das zu Schuldbewusstsein führen. Es ist eine der möglichen Schwierigkeiten nach einem langsamen Sterben, dass im Nachhinein die Gründe für solches Nicht-Miteinander-Sprechen, Nicht-Begleiten aus dem Blick geraten und ein Ideal konstruiert wird, dem kaum jemand entsprechen kann.
(...)

(Ende der Leseprobe)

 

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