Login

Menschlichkeit statt Posthumanismus

 

Autorin:
Annette Schlemm, Physikerin und Philosophin, bloggt unter https://kurzelinks.de/Philostube

Leseprobe aus der LACHESIS Nr. 52
mit dem Thema „Polarisierung überwinden- Brücken bauen“

Der Mensch ist, was er sein kann. Er kann nicht alles sein, was er sich wünschend ausdenken könnte - aber er kann mehr sein, als er faktisch ist. Die jeweils vorherrschenden Vorstellungen über das Mensch-Sein und Werden-Können beeinflussen das Handeln, individuell wie auch gesellschaftlich. Es gibt Vorstellungen, bei denen zumindest das jetzige Menschsein verschwinden soll, den Post- und den Transhumanismus. Was ist davon zu halten?
Die Auseinandersetzung mit trans- und posthumanistischen Positionen ist wertvoll, weil sie uns durch die Erschütterung der Selbstverständlichkeit bestimmter Annahmen veranlasst, unseren Begriff vom Menschen zu erinnern und ggf. weiterzuentwickeln und damit unsere Menschlichkeit zu verteidigen.

Von Transhumanismus wird gesprochen, wenn menschliche Fähigkeiten ergänzt werden durch technische Erweiterungen durch Nano-, Bio- und technisch-neuronale Technologien. Es geht nicht um eine Ersetzung des Menschlichen, sondern um eine Verschmelzung mit technischen Verbesserungstools, um bisherige Grenzen zu überschreiten1: „Der Transhumanismus bleibt anthropozentristisch“2. Dazu gehören alle Konzepte des „Human Enhancement“3, zuerst mit künstlichen Gliedmaßen für Behinderte, die durchaus verbesserte Eigenschaften als die natürlichen haben könnten, und warum soll das nicht aufs Gehirn ausgeweitet werden? Daraus entspringt dann leicht der Gedanke, eine Übertragung der Informationen aus einem biologischen Gehirn auf Computer könnte sogar über das Menschliche hinausgehen. Dadurch entsteht dann eine völlig neue Form intelligenten Lebens, wofür Menschen als solche gar nicht mehr gebraucht werden - wir sind nun in den Gefilden des Posthumanismus4. Mit Julian Huxley kann die Menschheit erst dann ihre Bestimmung verwirklichen, wenn sie die eigene „Natur überwindet“5 . Dabei „ist die Selbstabschaffung des Menschen [...] keine Schreckensvision mehr, sondern eine Zielvorstellung“6. Letztlich muss über dieses Ziel nach Ansicht vieler Posthumanisten7 gar nicht mehr entschieden werden, denn es wird ein Automatismus erwartet, bei dem „die Technologieentwicklung“ selbst eine „Singularität“ hervorbringen wird, d.h. eine Situation, in der künstliche Akteure „besser“ sind als Menschen. Dabei werden die aus der Biologie und der kapitalistischen Wirtschaft bekannten Konkurrenzgesetze vorausgesetzt, bei denen sich angeblich das jeweils Leistungsfähigere durchsetzen soll. Ray Kurzweil, von dem diese Idee maßgeblich stammt, ist mittlerweile Technischer Direktor bei Google. Offensichtlich wird in diesem technologischen Posthumanismus Leben, Bewusstsein und Intelligenz gleichgesetzt mit Kapazitäten zur Informationsverarbeitung. Larry Page (einer der Mitgründer von Google) meint dazu: „Meine Theorie ist, dass Ihre Programmierung, also Ihre DNA, sich auf etwa 600 Megabyte komprimieren lässt.“8
(…)

(Ende der Leseprobe)

1 Die lateinische Silbe „trans“ verweist auf die Bedeutung einer Bewegung „über“ etwas hinaus.
2 Krüger, Oliver (2007): Die Vervollkommnung des Menschen.
Online: https://www.eurozine.com/die-vervollkommnung-des-menschen
3 Also der „Verbesserung des Menschen“
4 Die lateinische Silbe „post“ verweist auf die Bedeutung von etwas, was „danach“ und „über etwas hinaus“ kommt/gekommen ist.
5 Huxley, Julian (1957): New Bottles for New Wine. London: Chatto&Windus, S. 17.
6 Wagner, Thomas (2015): Robokratie. Google, das Silicon Valley und der Mensch als Auslaufmodell. Köln: PapyRossa, S. 20.
7 Als Autoren tauchen nur Männer auf.
8 Nach Jansen, Markus (2014): „Der Google-Mensch“, in GID, Januar 2014, S. 31-33.
Online: https://gen-ethisches-netzwerk.de/biobanken-und-big-data/der-google-mensch

 

 

Haben wir Ihr Interesse für die Zeitschrift Nr. 52 geweckt?

Zur Bestellung

Zurück zur Übersicht

Wir benutzen Cookies
Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite und um sich einloggen zu können, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen. Auf der Seite zur Suche nach einer Heilpraktikerin nutzen wir Google Maps und darin eingebunden GoogleFonts. Wenn Sie sich gegen Cookies entscheiden, ist eine Suche über die Suchfunktion nicht möglich.