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Post-Covid- / Long-Covid-Syndrom

Erfahrungen aus der Praxis

Autorin:
Stefanie Westphal, Kulturwissenschaftlerin (M.A.) und Heilpraktikerin
www.westphal-naturheilpraxis.de

Leseprobe aus der LACHESIS Nr. 51
mit dem Thema „Eigene Ressourcen stärken“

Mittlerweile liegen zwei Jahre Pandemie hinter uns. Was ist aus den Covid-Patienten der ersten Stunde geworden? Wie haben sich Langzeitverläufe entwickelt? Was wissen wir heute und welche Therapieoptionen ergeben sich daraus? Seit einem guten Jahr arbeite ich in einem Stuttgarter Netzwerk aus Ärzt*innen und Therapeut*innen aus Pneumologie, Kardiologie, Neurologie, Psycho-, Physio- und Atemtherapie, um gemeinschaftlich Patient*innen mit langanhaltenden Beschwerden nach einer Covid-19-Erkrankung zu behandeln. In diesem Artikel möchte ich über meine Erfahrungen aus diesem Netzwerk berichten und konkrete Therapieoptionen aufzeigen, die sich in meiner Praxis bewährt haben.

Im Lauf der Zeit werden wir mehr und mehr Patient*innen nach durchgemachter Covid-19-Infektion in unseren Naturheilpraxen haben. Wir kommen nicht umhin, uns mit möglichen Langzeit- und Spätfolgen zu beschäftigen, um diese von Beschwerden anderer Genese abzugrenzen und eine adäquate Therapie anbieten zu können. Seit Juli 2021 haben die ärztlichen Fachgesellschaften eine S1-Leitlinie zur Behandlung von Post- bzw. Long-Covid-Patient*innen veröffentlicht, seit September gibt es davon eine abgespeckte Version für Betroffene und Angehörige (ebd.). Ich empfehle jeder Heilpraktiker*in, die Patient*innen nach Covid-19-Erkrankung begleiten, sich die Leitlinie(n) durchzulesen, da sie meines Erachtens gute (und gut strukturierte) diagnostische Empfehlungen liefern. Gerade in der Nachsorge von Covid-Patienten sollten pulmonale und kardiale Symptome unbedingt fachärztlich abgeklärt werden, bevor wir mit unseren Therapien starten. In Stuttgart machen wir dabei gute Erfahrungen mit einer Überweisungshierarchie vom Facharzt (Kardiolog*in, Pneumolog*in, Neurolog*in) zum Therapeuten (Physiotherapeut*in, Atemtherapeut*in, Psychotherapeut*in, Heilpraktiker*in). Mir als Heilpraktikerin gibt dies die Sicherheit, nichts Wesentliches zu übersehen und mich so ganz frei in meiner Therapie bewegen zu können. Natürlich kommen auch Patient*innen in meine Praxis, die noch nicht ärztlich abgeklärt sind. Hier hilft mir die Leitlinie eventuell notwendige Diagnostik nachzufordern.

 

Langzeitwirkungen durch SARS-CoV-2
Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien zu Langzeitfolgen nach durchgemachter Covid-19-Erkrankung mit teils ganz unterschiedlichen Prozentzahlen der Häufigkeiten der Symptome. Eine der ersten Studien wurde im Januar 2021 von Huang et al. in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht. Demnach hatten 76% der insgesamt 1733 ehemals hospitalisierten Patient*innen noch sechs Monate nach Beginn der Erkrankung mindestens ein belastendes Symptom, davon mehr Frauen als Männer. 63% litten an Fatigue/körperlicher Erschöpfung mit Muskelschwäche und mehr als 50% hatten noch radiologisch nachweisbare Lungenveränderungen und Dyspnoe. Etwa 26% der Patient*innen litten an Ängsten oder Depressionen. Ein Follow-up derselben Studie im August 2021 kam zu dem Ergebnis, dass zwölf Monate nach Infektion nur noch 49% der ehemals hospitalisierten Patient*innen mindestens ein belastendes Symptom zurück behalten hatten, allerdings Ängste und Depressionen sowie anhaltende Dyspnoe leicht zugenommen hatten. 88% der Patient*innen waren ein Jahr nach ihrer Covid-19-Erkrankung wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt, im Umkehrschluss waren 12% nach diesem Zeitraum immer noch nicht arbeitsfähig.

Eine andere Studie von Davis et al. vom Juli 2021 evaluierte die Antworten von 3762 positiv getesteten bzw. an Covid-19 erkrankten Patient*innen sechs Monate nach Infektion. Die meisten Patient*innen hatten einen milden Krankheitsverlauf, nur 8% waren hospitalisiert. Insgesamt werden mehr als 200 verschiedene Symptome in zehn Organsystemen berichtet. Am häufigsten sind dabei kognitive Störungen („Brain Fog“), Müdigkeit und die Post-Exertional Malaise (geringe Belastbarkeit und Verschlechterung der Symptomatik nach körperlicher oder geistiger Aktivität, auch als SEID = Systemic Exertion Intolerance Disease bezeichnet). Die Post-Exertional Malaise ist auch das Leitsymptom des Chronic Fatigue Syndroms (CFS bzw. ME = Myalgische Enzephalitis). Auch 35 (!) Wochen nach Beginn der Infektion hatten sich 91% der Patient*innen noch nicht vollständig von ihrer Krankheit erholt.

 

Drei Cluster von Covid-Erkrankungen
Es scheint drei unterschiedliche Gruppen („Cluster“) zu geben: In Cluster 1 beginnen die Symptome schon kurz nach der Erkrankung mit einem Gipfel in der 2. bis 3. Woche und gehen dann langsam zurück. Symptome sind vor allem Durchfall, Erbrechen und Appetitverlust, trockener Husten, rasselndes Atemgeräusch, Schnupfen, Rachenentzündung und Fieber. Hier sprechen wir von einem Long-Covid-Verlauf (siehe Kasten „Long-Covid vs. Post-Covid“).
In Cluster 2 beginnen die Symptome ebenfalls sehr schnell, erreichen ihren Gipfel zwischen der 5.-10. Woche und klingen dann nur sehr langsam wieder ab. Sie betreffen das Herz-Kreislauf-System (Synkopen, Bradykardie, aber auch Tachykardie), den Magen-Darm-Trakt (Bauchschmerzen, Übelkeit), den Bewegungsapparat (Muskel- und Gelenkschmerzen, Thoraxschmerzen/Brustenge), das Nervensystem (Verwirrtheit, Konzentrationsstörungen, Geruchs-/Geschmacksstörungen, Schwindel, Halluzinationen, Kopfschmerzen, undeutliches Sprechen/Nuscheln, Schlafstörungen), die Lunge (Husten, Kurzatmigkeit und Dyspnoe). Außerdem treten in dieser Gruppe Allgemeinsymptome auf wie Schweißausbrüche, geistige und körperliche Erschöpfung (fraglich durch eine mikrovaskuläre Unterversorgung der Muskeln), eine niedrige Körpertemperatur sowie der sog. Covid-Zeh (frostbeulenähnliche Schwellung an den Zehen).
In Cluster 3 beginnen die Symptome sehr mild und erreichen ihren Krankheitsgipfel ebenfalls in der 5.-10. Woche, klingen jedoch bis zum Ende des Beobachtungszeitraums von 6 Monaten nicht wieder ab. Zu allen in Cluster 1 und 2 genannten Symptomen kommen hier noch hinzu: Palpitationen, Thrombophlebitis, Tinnitus, Neuralgien, Tremor, Menstruationsstörungen, Harninkontinenz, Hautausschläge sowie Allergien bis hin zur Anaphylaxie. Cluster 3 entspricht einem Post-Covid-Verlauf.

In unseren Praxen in Stuttgart schildern Patient*innen zudem sehr häufig Haarausfall, lokalisierten Juckreiz, Libidoverlust und Erektionsstörungen. Auch einen Herpes zoster haben viele unserer Patient*innen nach ihrer Covid-19-Erkrankung entwickelt.

 

Unklare Pathogenese des Post-Covid-Syndroms
Die Gründe, warum Patient*innen Langzeitverläufe entwickeln, sind bis heute unklar. Diskutiert werden eine Viruspersistenz, dadurch ausgelöste Autoimmunprozesse und chronische (Hyper-)Inflammation, sowie nachfolgend Gewebeschäden zum Beispiel des Gefäßendothels mit Bildung von Mikrothromben. Auch eine mögliche Reaktivierung von EBV (Epstein-Barr-Virus) durch eine Covid-19-Erkrankung wurde kürzlich gezeigt. In einer Studie von Gold et al. wurden 30 Patient*innen mit Post-Covid-Syndrom auf ihren EBV-Status hin untersucht. 66,7% litten eindeutig an einer EBV-Reaktivierung mit den Symptomen Erschöpfung, Schlafstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen, Verwirrtheit und Tinnitus. Vermutlich war ihre Symptomatik der EBV-Reaktivierung geschuldet, und nicht der Infektion mit SARS-CoV-2.
Andere Studien deuten auf eine Viruspersistenz von SARS-CoV-2 in Patient*innen nach Covid-19-Erkrankung hin, nachgewiesen wurde eine Virusausscheidung über den Atem- sowie Gastrointestinaltrakt noch Monate nach der eigentlichen Infektion. Die vermuteten zugrunde liegenden Autoimmunprozesse beziehen sich möglicherweise auf eine durch Viruspersistenz getriggerte Dysregulation der T-Lymphozyten, also des erworbenen Immunsystems. Zwingend nötig für diese Dysregulation ist eine chronische (Hyper-) Inflammation im Körper. In einem entzündlichen Milieu soll das SARS-CoV-2-Virus die T-Zellen dahingehend umprogrammieren, dass diese autoreaktiv werden und die Toleranz gegen körpereigenes Gewebe versagt. Eine solche chronische (Hyper-)Inflammation findet sich bei Covid-19-Patient*innen typischerweise im Gastrointestinaltrakt. Sie entwickeln eine entzündliche Darm-Dysbiose mit einer Verschiebung der guten Standortflora (zum Beispiel Faecalibacterium prausnitzii) hin zu einer pathogenen Fäulnisflora mit überwiegend Clostridium spez.. Auch die Entwicklung von Mikrothromben in den Gefäßen ist offensichtlich das Resultat einer Entzündung – hier des Gefäßendothels.

 

Was tun?
In meiner Naturheilpraxis haben sich im letzten Jahr unterschiedliche Konzepte bewährt, die ich im Folgenden gern vorstellen möchte, dies ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Besonders wichtig erscheint mir dabei die Immunmodulation, da wir ja möglichst ursächlich behandeln wollen; aber auch eine symptomatische Therapie unterstützt die Patient*innen in ihrem Heilungsverlauf und gibt das Vertrauen in den eigenen Körper zurück.

 

Versuche einer Immunmodulation
Viele meiner Patient*innen mit Post-Covid-Syndrom fragen nach einem „Aufbau des Immunsystems“. Hier finde ich wichtig zu erklären, dass es nicht darum geht, das Immunsystem aufzubauen beziehungsweise anzuregen, denn das Immunsystem überreagiert bei diesen Patient*innen ja bereits. Es ist nicht zu schwach, sondern, ähnlich wie bei einer Allergie, fehlgeleitet. Es geht also darum, das Immunsystem zu modulieren, und nicht zusätzlich anzuheizen. Deshalb verzichte ich komplett auf Immunstimulanzien wie Echinacea, Zink, und Vitamin C. Zu Beginn meiner Arbeit mit Post-Covid-Patient*innen habe ich gern Vitamin-C-Infusionen (7,5 g auf 100 ml NaCl) gegeben, allerdings hat das die Symptomatik bei meinen Patient*innen langfristig eher verstärkt. Stattdessen setze ich zur Immunmodulation ein:

  • Eberraute-Tee (Artemisia abrotanum), 1x täglich 1 gestrichener Teelöffel mit 200 ml heißem Wasser aufbrühen und trinken, zunächst für 3 Monate. Die Wirkung hängt offenbar von der Dosierung ab, ein Zuviel wirkt zytotoxisch, bedingt durch die enthaltenen Lignane und Terpene! Siehe hierzu auch die Beobachtungsstudie der Sporthochschule Köln aus dem Jahr 2009.
  • Vitamin D3, als Öl sublingual, Dosierung je nach Laborwert der Patient*in. Ich versuche immer in einen Bereich von 70-150 nmol/l zu kommen, innerhalb dieses Bereichs fühlen sich meine Patient*innen am wohlsten. Für Heilpraktiker*innen, die keine Blutabnahmen machen, gibt es inzwischen auch Kapillarbluttests (zum Beispiel von Ganzimmun oder Biovis). Da die meisten Patient*innen in Deutschland eher unterversorgt sind mit Vitamin D, kann auch eine Gabe von 1000 I.E. pro Tag versucht werden, spätestens nach einem halben Jahr sollte eine Laborkontrolle beim Arzt erfolgen.
  • Colostrum, in flüssiger Form, 2x täglich 10 ml morgens nüchtern und abends vor dem Schlafengehen, zunächst für 6-8 Wochen. Colostrum ist die Erstmilch von Kühen und enthält Vitamine, Mineralstoffe und Aminosäuren, vor allem aber Wachstumsfaktoren wie zum Beispiel TGF-ß und Immunglobuline. TGF-ß wird im Körper von T-Suppressorzellen (auch TH3- bzw. T-Regulatorzellen (TReg)) sezerniert, stoppt damit Autoimmunreaktionen und induziert die Immuntoleranz. Gute und ethisch vertretbare Colostrum-Präparate gibt es von Arktisbiopharma und Best Vital.
  • Glutathion, je nach Schwere der Symptomatik wiederholt per i.v.-Injektion bzw. Infusion oder in Kapselform. Von der Viktoria Apotheke Saarbrücken gibt es Ampullen zur i.v.-Injektion à 600 mg beziehungsweise zur Infusion à 1000 oder 3000 mg Glutathion („Eumetabol“). Bei Kapseln achte ich auf eine Dosierung von 250-500 mg pro Tag, es gibt diverse Hersteller. In meiner Praxis hat sich in der Wirkung kein Unterschied gezeigt zwischen reduziertem (L-)Glutathion und S-Acetyl-Glutathion.
  • Thymuspeptide, ich bevorzuge dabei homöopathische Präparate, zum Beispiel von Wala Thymus Glandula GI in D6, alle 3-7 Tage (je nach Schwere der Symptomatik) 1 Ampulle als Trinkampulle, zunächst für 4 Wochen, dann langsam reduzieren. Die Ampullen sind eigentlich zur subkutanen Anwendung konzipiert, allerdings möchte sich nicht jede Patient*in selbst spritzen oder ständig in meine Praxis kommen müssen. Eine gute Alternative ist deshalb die Anwendung als Trinkampulle.

Es gibt zwei Laboruntersuchungen, die sich im Vorfeld der Immunmodulation und zur Therapiekontrolle anbieten. Eine davon ist die Ermittlung der Thymusreserve (zum Beispiel Labor Ganzimmun). Hierbei werden die Gesamtzahl der T-Lymphozyten, die CD4+- und CD31+-T-Helferzellen sowie die naiven, noch nicht differenzierten, T-Helferzellen ermittelt. Bei CD4+- und CD31+-Werten unterhalb oder im unteren Grenzbereich der Norm arbeite ich dann in jedem Fall mit Thymuspeptiden, entweder allein oder in Kombination mit einem anderen Immunmodulator.
Die andere Laboruntersuchung ist das TH1/TH2/TH17/Treg-Zytokinprofil (zum Beispiel IMD-Labor). Hierbei werden die von den jeweiligen T-Helferzellen sezernierten Zytokine gemessen, um eine Aussage über die Aktivierungszustände der einzelnen T-Helferzellen zu treffen. Eine TH17-Dominanz spricht für ein autoimmunes Geschehen, TReg hingegen dämpfen autoimmune Reaktionen durch Toleranzinduktion. TH1 ist vor allem bei akuten Entzündungen erhöht und kann mit antientzündlichen Mitteln meist gut gesenkt werden.
Kolleg*innen, die kein Blut abnehmen, empfehle ich trotzdem einen Therapieversuch mit obengenannten Immunmodulatoren. Das Befinden der Patient*innen wird zeigen, ob die Therapie anschlägt.

Antientzündliche Therapie
Eine anzunehmende chronische (Hyper-)Inflammation sollte immer mit antientzündlichen Mitteln flankiert werden. Berichten Patient*innen von Darm- beziehungsweise Verdauungsbeschwerden seit ihrer Covid-19-Erkrankung, gebe ich immer eine Kombination aus schleimhautregenerierenden Mitteln, pflanzlichen Entzündungshemmern und Probiotika. Im Vorfeld kann eine Stuhluntersuchung inkl. Mikrobiota gemacht werden (zum Beispiel Labore Enterosan, Ganzimmun, Biovis). Meine Behandlung sieht wie folgt aus:

  • Huminsäuren, 3x täglich 2 Kapseln (à 400 mg Huminsäuren) für 10 Tage, dann reduzieren auf 3 x täglich
    1 Kapsel, für 2-3 Monate. Nicht abrupt absetzen, sondern ausschleichen. Huminsäuren binden Toxine und biogene Amine, die häufig von Clostridium spez. produziert werden, und wirken regenerierend auf die Darmschleimhaut.
  • Weihrauch mit mindestens 65% Boswelliasäuren, 1-2x täglich 400 mg pro Kapsel. Weihrauch wirkt auch symptomatisch bei Gelenkschmerzen nach Covid-19-Erkrankung.
  • Probiotika, entweder gezielt nach Stuhlbefund oder ein Präparat aus ausschließlich Lebendkeimen von Lactobazillen, Bifidobakterien und Enterokokken. Hier gibt es zahlreiche Hersteller. Auch fermentierte Lebensmittel sind hilfreich, sie enthalten jedoch viel weniger Keimzahlen und sind deshalb nicht so stark wirksam.

Steht die Gefäßgesundheit im Vordergrund, da die Patient*innen Thrombosen oder (Mikro-)Embolien hatten, verwende ich andere Mittel:

  • Omega-3-Fettsäuren aus Fisch- oder Algenöl, etwa 6 g pro Tag. Ich höre häufig, dass stattdessen Leinöl als Ersatz verwendet wird, allerdings enthält Leinöl nur die Alpha-Linolensäure (ALA). Diese ist lediglich ein Vorläufer für die Synthese der langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Fischöl bietet eine gute Kombination aus allen drei Fettsäuren.
  • Resveratrol in Kapselform, 2x täglich 1 Kapsel à 500 mg Trans-Resveratrol pro Tag. Resveratrol wurde bekannt als natürlich vorkommender Inhaltsstoff in Rotwein. Um allerdings auf die wirksame Dosis von 1 g und mehr pro Tag zu kommen, müssten wir – je nach Rotweinsorte – 505 bis 2762 Liter Rotwein trinken oder über 3.400 Liter Rosé... .
  • Naja comp. Tropfen von Weleda, 1x täglich 10-15 Tropfen, zunächst für 6-8 Wochen. Naja comp. Tropfen wirken gerinnungshemmend und damit antithrombotisch. Enthalten sind Naja in D10, Crotalus in D20, Vipera in D30 und Lachesis in D12.
  • Alternativ zu Naja comp. verwende ich gern: Wobenzym von Mucos, 2x täglich 3 Dragees, nicht anzuwenden bei Allergien auf Ananas oder Papaya.

 

Symptomatische Therapie
Ich hatte weiter oben beschrieben, welche Auswirkungen und Symptome eine Post-Covid-Erkrankung haben kann. Nicht alle konnte ich in meiner Praxis in repräsentativem Maß sehen, deshalb will ich hier nur die benennen, die häufig vorkamen und für deren Behandlung ich vielfach positive Rückmeldung bekommen habe.

 

Bei Fatigue / Erschöpfung

  • Organpräparate, zum Beispiel von Wala als Trinkampullen („Organ stärkt Organ“), ich gebe hier am liebsten Organum quadruplex Ampullen von Wala mit Herz, Lunge, Niere und Leber in D7, 1x täglich 1 Ampulle als Trinkampulle, zunächst für 3 Wochen, dann langsam reduzieren. Organum quadruplex gibt es auch als Globuli in D4, hier gebe ich 2x täglich 10 Globuli, ebenfalls für 3 Wochen, dann langsam reduzieren. Meiner Erfahrung nach wirken die Ampullen stärker als die Globuli.
  • Kupfersalbe Rot, ebenfalls von Wala. 1-2 x täglich die Nierengegend (wirkt allgemein tonisierend) oder vor dem Zubettgehen die Füße (fördert guten Schlaf) einreiben.
  • Bitterstoffe als Tonikum (Enzian, Ingwer, Angelikawurzel, Artischocke...), 3 x täglich 12-15 Tropfen pur auf die Zunge, es gibt diverse Hersteller. Ich gebe entweder Bitterkraft von Gutsmiedl oder die Amara Tropfen von Weleda.
  • Schlehen-Öl (Prunus spinosa e floribus W 5%) von Wala 1x täglich zur Einreibung nach dem Duschen oder Baden oder als Öl-Dispersionsbad.
  • Adaptogene Heilpflanzen, hierbei gebe ich fast ausschließlich Eleutherococcus (Taigawurzel) in Tropfenform (Eleu curarina von Harras, 2 x täglich 30 Tropfen pur auf die Zunge, für zunächst 2 Monate, dann mindestens 4 Wochen Pause und bei Bedarf erneut 2 Monate einnehmen). Mit Eleutherococcus habe ich die besten Erfahrungen gemacht, es können aber auch Rhodiola rosea (Rosenwurz) oder Ashwagandha versucht werden.

 

Bei Atembeschwerden bzw. dem Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können

  • Kiefernnadelöl (Pinus pumilio), zum Beispiel von Wala, 2 x täglich morgens und abends den Rücken damit einreiben.
  • Lungenkraut-Tee (Pulmonaria officinalis), 1-2 x täglich 2 gestrichene Teelöffel Kraut auf 200 ml Wasser als Aufguss. Lungenkraut wirkt antientzündlich und Struktur stärkend durch die enthaltene Kieselsäure.
  • Atemphysiotherapie, hierbei wird sanft die Ausdehnungsfähigkeit der Lunge verbessert.
  • Logopädie oder Gesangscoaching zum Aufbau der geschwächten Atemmuskulatur.

 

Bei funktionellen Herzbeschwerden / Herzstolpern / Herzangst
Laut unserem Kardiologen im Netzwerk lassen sich bei den allermeisten Post-Covid-Patient*innen trotz Beschwerden keine messbaren Beeinträchtigungen des Herzens feststellen. Er versucht die Patient*innen zu beruhigen und ermutigt zur Geduld. Hier können wir gut mit naturheilkundlichen Therapien ansetzen:

  • Cactus comp. II Globuli von Wala, 2x täglich 10 Globuli, enthalten Cactus (Königin der Nacht), Avena sativa (Hafer), Crataegus (Weißdorn) und Arnika (Arnica montana). Bei funktionellen Herzrhythmusstörungen und Herzenge.
  • Aurum / Lavandula comp. Creme von Weleda, 2x täglich über dem Solarplexus oder der Herzgegend einreiben.
  • Weißdorn, zum Beispiel Crataegus Urtinktur von Ceres, 2-3x täglich 5 Tropfen, verbessert die Kontraktionskraft des Herzens, wirkt antiarrhythmisch und kardioprotektiv.

 

Bei Hypotonie / Kreislaufschwäche

  • Balsamischer Melissengeist von Weleda, bis zu 5x täglich 10-20 Tropfen in etwas Wasser. Enthält im Gegensatz zu anderen Melissengeist-Zubereitungen u.a. Zimt, Koriander, Muskat und Pfeffer und kurbelt damit direkt den Kreislauf an. Auch bei Schwindel hilfreich.

 

Bei Muskel- und Gelenkschmerzen / Muskelschwäche / Missempfindungen

  • Birken Rheumaöl mit Arnika von Wala bei Gelenksschmerzen (für Korbblütler-Allergiker gibt es das Öl auch ohne Arnika), 1-2x täglich die schmerzenden Gelenke damit einreiben.
  • Solum Öl von Wala bei Nervenschmerzen, 1-2x täglich die schmerzenden Gelenke einreiben. Enthält Aesculus (Rosskastanie), Equisetum (Schachtelhalm), Lavandula (Lavendel) und Solum (Moorextrakt).
  • Primula Muskelnähröl von Wala bei Muskelschwäche, 1-2x täglich die betreffenden Stellen einreiben. Enthält u.a. Johanniskrautöl, Schlüsselblume, Rosmarin.
  • B-Vitamine hochdosiert, vor allem B1, B6 und B12, ich verwende Kombipräparate mit allen B-Vitaminen, z.B. Vitamin B Complete von Hevert, 1x täglich 1 Kapsel abends. B-Vitamine fördern die Nervenzellregeneration und wirken gegen Missempfindungen wie Ameisenlaufen, Taubheitsgefühle, Brennen und ähnliches. In schweren Fällen gebe ich die B-Vitamine als Injektion oder Infusion, hier gibt es mehrere Hersteller.

 

Bei Ängsten und innerer Anspannung / Depressiver Verstimmung

  • Kava Kava (Rauschpfeffer) in D4, zum Beispiel Kava Hevert Entspannungstropfen, 3x täglich 10 Tropfen, nicht bei Muskelschwäche! Kava Kava wirkt muskelrelaxierend, zentral dämpfend, entspannend und schlaffördernd.
  • Alternativ: Aurum / Hyoscyamus comp. Tropfen von Weleda, 3x täglich 10 Tropfen.
  • Safran bei depressiver Verstimmung, ich gebe gern Cefasafra Kapseln, 2x täglich 1 Kapsel, diese enthalten neben Safran auch noch die Vitamine B5 und B12, oder einen reinen Safran Extrakt von der Firma Sunday Natural, 1x täglich 1 Kapsel.
  • Johanniskraut-Tee, 1x täglich 1 Tasse, wirkt leicht stimmungsstabilisierend und beruhigend. Viele meiner Patient*innen lieben mittlerweile ihr kombiniertes Ritual aus Einreibung (je nach Bedarf, siehe oben) und Teezubereitung beziehungsweise -genuss.

 

Fazit
Wir alle können viel tun. Unsere Patient*innen benötigen in der Corona-Pandemie nicht nur gute fachliche Unterstützung, sondern auch Gesprächspartner*innen, die sich Zeit nehmen können und unkonventionelle Lösungen bieten. In meinem Post-Covid-Netzwerk erlebe ich regelmäßig, dass die Fachärzt*innen wenig tun können, da oft keine Funktionseinschränkungen messbar sind. Sie reden deshalb gut zu und versuchen, die Patient*innen zu beruhigen und Hoffnung auf Besserung zu geben. Und sie schicken weiter – zur (Atem-)Physiotherapeut*in, zur Psychotherapeut*in, zur Heilpraktiker*in. Selten habe ich eine so gute Zusammenarbeit und Empathie von Ärzt*innen, Therapeut*innen und Heilpraktiker*in erlebt wie in diesem Ausnahmezustand der Corona-Pandemie. Wir alle lernen jeden Tag dazu, machen neue Erfahrungen, sprechen miteinander und probieren vieles aus. Auch meine obengenannten Therapievorschläge sind nicht in Stein gemeißelt, sondern werden sich weiterentwickeln oder ersetzt. Sehen Sie diese als Anregungen und bleiben Sie kreativ.

 

Schweregrade einer Covid-19-Erkrankung

  • I Mild (grippale Symptome)
  • II Moderat (Pneumonie, ambulant)
  • III Schwer (hospitalisiert)
  • IV Kritisch (Intensivmedizin, Beatmung)

 

Long-Covid versus Post-Covid

  • Long-Covid: Beschwerden, die mindestens vier Wochen nach der Infektion bestehen. Sozusagen eine verzögerte Rekonvaleszenz direkt nach der Erkrankung
  • Post-Covid: Beschwerden, die mindestens zwölf Wochen nach der Infektion bestehen. Patient*innen können sich nach der akuten Covid-19-Erkrankung zunächst gesund fühlen und dann erst Symptome entwickeln
    (nach dem britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE))

 

Häufigste betroffene Organsysteme einer akuten Covid-19-Erkrankung

  • Lunge: Pneumonie und respiratorische Insuffizienz → „Silent Hypoxemia“: trotz schwerer Hypoxämie (mit pO2-Werten von unter 50 mm Hg statt normal 75 bis 100 mm Hg) keine Luftnot oder Zeichen einer beschleunigten Atmung → schnelle Dekompensation
  • Thrombembolien (Endothelitis → Zirkulationsstörungen) bis hin zu Lungenembolie, Schlaganfall, Herzinfarkt
  • Kardiomyopathie (Vergrößerung des Herzens → Leistungsfähigkeit des Herzmuskels nimmt ab → Herzinsuffizienz)
  • Neurologische Symptome (besonders häufig: Geruchs-/Geschmacksstörung bis hin zum -verlust, Missempfindungen auf der Haut, zum Beispiel Brennen), Muskel- und Nervenschmerzen

 

 

 

Links für die Online-Version
1 https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-027.html
2 https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)32656-8/fulltext
3 https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)01755-4/fulltext
4 https://www.thelancet.com/journals/eclinm/article/PIIS2589-5370(21)00299-6/fulltext
5 https://dgn.org/neuronews/journal_club/long-covid-symptome-als-folge-einer-ebv-reaktivierung/
6 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8233978/
7 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/jmv.26103
8 https://doi.org/10.1017/dmp.2020.450
9 https://www.jiac-j.com/article/S1341-321X(20)30396-2/fulltext
10 https://www.cghjournal.org/article/S1542-3565(20)30777-1/fulltext
11 https://www.science.org/doi/10.1126/sciimmunol.abe8063
12 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0016508520347016
13 https://repository.publisso.de/resource/frl:3017954-1/data
14 https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/01/29/positiver-resveratrol-effekt-wie-viel-rotwein-muss-man-trinken/chapter:2
15 https://www.nice.org.uk/guidance/ng188
alle Links abgerufen am 2.11.2021

 

 

 

 

 

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